Shintō

Shintō
Shintō
 
[ʃ-, sinojapanisch] der, -, Shintoịsmus, Schintoịsmus, Kami no michi [-mitʃi; japanisch »Weg der Kami (Gottheiten)«], die Gesamtheit der ursprünglichen, wesentlich aus dem bewussten Erleben der Natur hervorgegangen religiösen Vorstellungen der Japaner. Der Shintō bildet die autochthone Religion Japans und ist durch die Verehrung der Natur, der Ahnen und der den Klanen gemeinsamen Klan-Gottheiten (Ujigami) gekennzeichnet; dabei werden einzelne (besonders eindrucksvolle) Naturerscheinungen als Wohnsitze bestimmter Götter angesehen und die Ahnen als allzeit existent und in ihren Gemeinschaften (Familie, Klan) weiterlebend verehrt. Natur, Ahnen und Göttern kommt der (numinose) Charakter des Kami zu, d. h. positiv stimulierenden, schöpferischen Energien des Lebens. Die Zahl der Kami ist außerordentlich groß. Als Schöpfer des Meeres, der Gebirge und Pflanzen sowie auch Japans gelten der Gott Isanagi und die Göttin Isanami. Isanagi übergab die Herrschaft über den Himmel der Sonnengöttin Amaterasu, diejenige über die Nacht dem Mondgott Tsukijomi; zum Herrn des Meeres bestimmte er den Sturmgott Susano-ō. Aus dem Streit dieser Gottheiten ging Amaterasu siegreich hervor. Sie ernannte ihren Enkel Ninigi zum Herrscher über Japan. Er gilt als göttlicher Ahnherr der bis heute herrschenden Dynastie. Ihr jeweiliges Oberhaupt ist der Tenno (»Himmelsherrscher«). - Allgemein lassen sich drei Arten des Shintō unterscheiden: der Schreinshintō als offizielle Verehrung der Kami an Schreinen, der Sektenshintō seit dem 19. Jahrhundert (Shintō-Sekten), dessen Mitglieder sich in der Regel in Kirchen versammeln, und der auf religiöse Reinigungs- u. a. Bräuche und die Verehrung von Haus- und Feldgottheiten gestützte Volksshintō Der schlichte, betont ästhetische Kult des Shintō (Matsuri) besteht vornehmlich aus der Darbringung von Zweigen des Kirschbaumes und in Speiseopfern sowie rituellen Gebeten (Norito) und einer Reihe von Festen. Die Priester (Kannushi) sind verheiratet; oft vererben sie ihr Amt. Ihre Sakralkleidung besteht aus weißem Gewand und schwarzer Mütze.
 
Nicht im Sinne eines theologischen Systems, sondern in Form von Werten, Verhaltens- und Denkmustern hat der Shintō das japanische Volk prägend beeinflusst. Viele Japaner praktizieren sowohl den Shintō als auch den buddhistischen Glauben. Die Ethik fordert Pflichttreue, Ehrlichkeit, Selbstbeherrschung; sie ist zusammengefasst im Ideal des Magokoro (»lauteres Herz«), d. h. einer reinen, aufrichtigen und humanen Gesinnung, und findet ihren Ausdruck besonders im Bushidō.
 
 
Quellen für den alten Shintō sind die Berichte der ältesten Annalenwerke Kojiki, Nihongi und die Fudoki seit dem 8. Jahrhundert. In seiner Geschichte erlebte der Shintō manche Wandlung. So gewannen mit der Übernahme des Konfuzianismus gewisse Idealvorstellungen des Tennotums festere Gestalt, hiermit verbunden war wohl auch die Übernahme des chinesischen Begriffs Shendao (japanisch Shintō) im 6. Jahrhundert zur Unterscheidung von dem in Japan eingeführten Buddhismus (Butsudo »Weg des Buddha«). Nach dem Eindringen des Buddhismus entstand im Verlauf des 8. und 9. Jahrhunderts der Ryōbu-shintō, der die Shintō-Gottheiten als Erscheinungsformen buddhistischer Gottheiten in Japan ansah. Im 13. Jahrhundert suchte Yoshida Kanetomo mit seinem Yuiitsu-shintō (»alleiniger Shintō«) den Shintō wieder von buddhistischen Elementen zu reinigen; auf dieser Grundlage konnte die Rückbesinnung der Kokugaku-Gelehrten des 18. Jahrhunderts aufbauen. In der Folge wurde 1868 der Shintō zum Staatskult erhoben (Kokka- oder Jinjashintō), neben dem die verschiedenen Shintō-Sekten als rein religiöse Institutionen bestehen blieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf alliierten Befehl vom 15. 12. 1945 der Shintō als Staatskult (v. a. wegen totalitär-chauvinistischen Gedanken, die mit ihm verbunden worden waren) und damit auch seine Förderung durch den japanischen Staat verboten.
 
 
W. G. Aston: S., the way of the gods (London 1905);
 D. C. Holtom: The political philosophy of modern S. (Chicago, Ill., 1922, Nachdr. New York 1984);
 D. C. Holtom: The national faith of Japan (London 1938);
 G. Katō: A historical study of the religious development of S. (a. d. Jap., Tokio 1973);
 E. Lokowandt: Die rechtl. Entwicklung des Staats-S. in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit, 1868-1890 (1978);
 A. Schwade: S. bibliography in western languages (Leiden 1986);
 N. Naumann: Die einheim. Religion Japans, Bd. 1 (ebd. 1988);
 E. Lokowandt: S. Eine Einf. (2001).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Japan bis 710 n. Chr.: Am Anfang war die Sonne
 
Shintoismus: Leben im Schutz der Götter
 

Universal-Lexikon. 2012.

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